Das (queere) Impostor-Syndrom verstehen und überwinden – Tipps für Selbstakzeptanz

Viele Menschen haben Probleme mit starken Selbstzweifeln im Job, dem Impostor-Syndrom. Vor allem im Karrierebereich wird viel darüber gesprochen, aber das Phänomen geht auch darüber hinaus. Dieser Beitrag beschäftigt sich nicht nur mit dem Impostor-Syndrom im Job, sondern gibt einen tieferen Einblick mit besonderem Fokus auf die Ausprägung im queeren Kontext. So kannst du besser verstehen, woher Selbstzweifel stammen und erfährst, was dagegen hilft.

Bild: De'Andre Bush, Unsplash

Kennst du die Sorge, nicht genug zu sein? Unter dem Hochstapler-Syndrom, geläufig eher unter dem Begriff Impostor-Syndrom, original vom englischen impostor phenomenon, leiden Menschen, die das Gefühl haben, für etwas geschätzt zu werden, das sie eigentlich gar nicht sind oder können - oft verbunden mit der Angst, damit aufzufliegen. Der Begriff ist vor allem im Karrierebereich verbreitet und wird viel diskutiert. Gerade queere Personen kennen das Impostor-Syndrom jedoch nicht ausschließlich aus dem beruflichen Kontext.

„Bin ich queer/bi/trans/schwul/… genug?“ ist eine Frage, die immer wieder bei Menschen in der LGBTIQ+-Community aufkommt. Oft wird das Phänomen in diesem Kontext explizit queeres Impostor-Syndrom genannt. In diesem Beitrag erfährst du mehr darüber, wie du als queere Person damit umgehen kannst - sowohl beruflich als auch privat.

Impostor-Syndrom im Job

„Bin ich überhaupt gut genug für diesen Job?“

Diese Form von Selbstzweifeln geht betroffenen Menschen regelmäßig durch den Kopf. Dabei ist es wichtig zu beachten, dass das Problem oft tiefer sitzt als „nur“ im Job. Menschen mit Impostor-Syndrom leiden unter generellen Zweifel an ihren eigenen Fähigkeiten - das kann schon in der Schule oder der Uni beginnen. Dabei stehen die Zweifel nie im Verhältnis zu den tatsächlichen Leistungen. Die Menschen sind gut in dem, was sie tun, jedoch ist es ihnen unmöglich, das selbst zu glauben.

„Sind Selbstzweifel bei dir eine Ausnahme

oder die Regel?“

Bild: Elisa Ventur, Unsplash

Bin ich vom Impostor-Syndrom betroffen?


Wenn du denkst, dass du unter dem Impostor-Syndrom leiden könntest, ist das bereits ein ziemlich eindeutiges Zeichen, dass es so ist. Natürlich können Menschen auch Selbstzweifel haben, ohne das Impostor-Syndrom zu haben. Der Unterschied ist dennoch ziemlich simpel:


Sind Selbstzweifel bei dir eine Ausnahme oder die Regel? 


Es ist vollkommen normal und gesund, manchmal an sich selbst zu zweifeln. Nur so erkennt man seine eigenen Grenzen. Wenn Selbstzweifel allerdings zur Gewohnheit werden, werden sie zum Problem. Vor allem, wenn diese Gefühle bestehen, obwohl du fachlich kein Problem damit hast, deine Aufgaben und Projekte umzusetzen. Wenn du weißt, dass du dich eigentlich sicher fühlen und du eine Aufgabe können müsstest, aber trotzdem noch eine Unsicherheit besteht, sind das eindeutige Anzeichen für das Impostor-Syndrom. Wie irrational diese Gedanken eigentlich sind, macht eine andere Ausprägung sehr deutlich.

„Bin ich queer genug?“

Das queere Impostor-Syndrom


Der Begriff „queeres Impostor Syndrom“ beschreibt die Erfahrung, sich „nicht queer genug“ zu fühlen und die Angst davor, sich Queerness oder bestimmte LGBTIQ+-Labels zu unrecht anzueignen. 

„Ich bin viel zu maskulin, um schwul zu sein.“

„Meine Dysphorie ist gar nicht so schlimm. Kann ich wirklich trans sein?“

Darf ich mich überhaupt bi nennen, wenn ich noch nie in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung war?” 


Es gibt unzählige Gründe für solche Gedanken und hinter all dem steckt vor allem eins: Erwartungen. Cis- und heteronormative Werte und Normen sind immer noch tief in unserer Gesellschaft verankert. Wir alle werden ausnahmslos nach ihnen sozialisiert. Dabei verinnerlichen wir eine Menge Erwartungen: Queer-Sein ist unnormal und unerwünscht und es gibt ein klare Vorstellung davon, wie Queerness auszusehen hat. 


„Ein Schwuler ist feminin, eine Lesbe maskulin.“

„Trans Menschen müssen ganz schlimm leiden, sonst meinen sie es nicht ernst.“

„Bisexuelle sind je nach Situation und Verhalten entweder hetero oder homo, alles Andere ist zu kompliziert.“


Das ist doch absurd! Wir sind schließlich Individuen. Um diese Erwartungen und das damit einhergehende queere Impostor-Syndrom zu überwinden, müssen wir Queer-Sein von Erwartungen und Vorgaben befreien. Das ist gesamtgesellschaftlich gesehen leider nicht so einfach, deswegen sollten wir bei uns selbst beginnen.


Hast du auch Probleme mit dem queeren Impostor-Syndrom? Suche nach Menschen, denen es ähnlich geht wie dir. Zum Beispiel in der Proudr Community. Du bist ganz sicher mit deinen Gefühlen nicht alleine.

Was hat das queere Impostor-Syndrom mit deinem Job zu tun?


Das Impostor-Syndrom im Job funktioniert tatsächlich im Grunde genauso wie das queere Impostor-Syndrom. Auch hier sind Erwartungen der Auslöser. Nur geht es nicht um Erwartungen an deine Sexualität oder dein Geschlecht, sondern an deine persönliche Leistung - von dir und/oder von deiner Umgebung. Es kann sein, dass dein:e Chef:in dich immer nur bemängelt, nie lobt, obwohl du gute Arbeit leistest. Es kann auch sein, dass alle um dich herum zufrieden sind, aber du selbst zu hohe Erwartungen an dich hast. Auch das wird sozialisiert: Die persönliche Leistung eines Menschen hat einen großen gesellschaftlichen Wert. Wie kannst du damit gesund umgehen?

Bild: Giulia Bertelli, Unsplash

„Es ist keine Lösung, dauerhaft zu versuchen, den Erwartungen gerecht zu werden, da immer neue und größere Erwartungen folgen werden.“

Selbstakzeptanz gegen Impostor-Syndrom


Fassen wir noch ein letztes Mal das Problem zusammen: Menschen, die unter dem Impostor-Syndrom leiden, entwickeln starke Selbstzweifel daraus, dass sie unrealistischen Erwartungen nicht gerecht werden. Ganz egal, ob diese Erwartungen von außen oder von innen stammen, die Lösung ist dieselbe: Akzeptanz.


Das Ziel ist, dich als Individuum mit deinen Gefühlen, Stärken, Schwächen und Grenzen zu akzeptieren. Es ist keine Lösung, dauerhaft zu versuchen, den Erwartungen gerecht zu werden, da immer neue und größere Erwartungen folgen werden. Das ist natürlich leichter gesagt als getan. Professionelle therapeutische Hilfe ist der effektivste Weg, um das Problem an der Wurzel anzupacken. Aber es gibt auch andere Möglichkeiten.

4 Tipps gegen Impostor Syndrom im Job:


  • Achte auf deine Work-Life-Balance und schaffe ein stabiles Netzwerk außerhalb vom Job! So nimmt das Impostor-Syndrom weniger Raum in deinem Leben ein. Eine Distanz zum Problem zu schaffen, ist unglaublich wichtig!
  • Arbeite an persönlichen Projekten, die dir weniger Druck machen und zelebriere deine Erfolge. Du wolltest schon immer mal mehr backen? Dann los! Deine Familie hat eigentlich noch ein paar Postkarten verdient? Wieder eine Chance!. Auch so schaffst du einen Ausgleich und zeigst dir selbst, dass du viel kannst.
  • Suche dir Unterstützung außerhalb deiner Arbeit. Freund:innen und Familie können dir helfen, dein Problem in Relation zu betrachten und dich als ganze Person wahrzunehmen, damit du dich nicht durch deine Leistung im Job definierst.
  • Schaffe eine wertschätzende Unternehmenskultur. Wenn du dich sicher genug fühlst, kann es helfen, mit Vorgesetzten, der Personalabteilung oder Vertrauenspersonen im Unternehmen darüber zu sprechen, eine offene und wertfreie Fehlerkultur sowie -kommunikation und gegenseitige Wertschätzung zu etablieren.


„You can be proudr

of yourself!“

Wenn du mit diesem Beitrag gelernt hast, oder auch schon vorher wusstest, dass du das Impostor-Syndrom hast: Vielleicht hast du jetzt bereits eine neue Perspektive auf dich und deinen Wert. Du bist ganz sicher besser, als es dir selbst bewusst ist - hoffentlich kannst auch du das irgendwann sehen und annehmen. Du verdienst Wertschätzung für die Person, die du bist, nicht nur für deine Leistung! You can be proudr of yourself!


Suchst du noch ein Netzwerk außerhalb des Jobs? Vielleicht sind die Proudr LGBTIQ+ After Works ein guter Anfang für dich! Unser Fokus liegt auf dem gegenseitigen Empowerment. Bei dem After Work darfst du sein, wie du bist. Komm einfach mal vorbei und lerne andere Queers und Allies kennen.


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