„Na dann hast du bestimmt zweimal so viel Chancen, jemanden abzubekommen?“ „Das ist nur eine Phase, bis du den richtigen Mann gefunden hast.“ „Aber du musst dich doch entscheiden?“ Im Arbeitskontext oder privatem Umfeld, wer sich als Bisexuell zu erkennen gibt, wird einen dieser Sätze sicherlich schon mal gehört haben. Stichelnde Kommentare oder gar das Nicht-Anerkennen der Bisexualität einer Person, ist nicht nur unpassend, sondern diskriminierend. Das Problem der Unsichtbarkeit von Bisexuellen ist ein Problem, mit dem sich die bisexuelle Gemeinschaft seit Jahren auseinandersetzt. Es handelt sich dabei um eine spezifische Form der Biphobie, die auftritt, wenn Menschen entweder die eigene Bisexualität oder die Bisexualität im Allgemeinen ignorieren, diskreditieren oder umdeuten. Ein Beispiel wäre, jemanden aufgrund des Geschlechts seines aktuellen Partners als „jetzt hetero“ oder „jetzt schwul“ zu bezeichnen. Freddy Mercury wird Beispielsweise immer wieder als schwul bezeichnet, obwohl er seine Expartnerin Mary Austin, immer wieder als die Liebe seines Lebens bezeichnet hat.
Doch wenn eine bisexuelle Person jemanden eines anderen Geschlechts daten oder heiratet, bedeutet das nicht, dass sie sich „für eine Seite entschieden“ hat oder dass sie sich zuvor „etwas vorgemacht“ hat. Bisexuelle Menschen haben nicht mehr oder weniger Angst vor einer Bindung als alle anderen. Das Fehlen von Verständnis und Akzeptanz, auch innerhalb der queeren Community, sorgt dafür, dass bi+ Personen sich weiterhin isoliert fühlen und unsichtbar bleiben. Es herrscht ein Gefühl von „nicht queer genug“ gerade dann, wenn sich bisexuelle Personen in gleichgeschlechtlichen oder straight-passing Beziehungen befinden. Jemand, der in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung lebt, ist vielleicht nicht schwul, und jemand in einer gemischtgeschlechtlichen Beziehung ist nicht heterosexuell. Bisexuelle Menschen haben oft das Bedürfnis, sich zweimal (oder öfter) zu outen – einmal, wenn sie einen gleichgeschlechtlichen Partner haben und ein weiteres Mal, wenn sie dann einen Partner anderen Geschlechts haben.
Doppelt so viel Auswahl? Nein, doppeltes Outing!
Häufig wird das Bild vermittelt, es sei einfacher, sich als bi+ zu outen. Egal, welche nicht heteronormative Sexualität oder Identität, sich zu outen ist nie leicht. Besonders bisexuelle Menschen finden sich häufig in einer Situation, in der sie sich erklären müssen. Es ist nicht unüblich, sich bei Kolleg:innen wie Bekannte mehr als einmal outen zu müssen, insbesondere dann, wenn neue Beziehungspersonen ins Bild treten oder man von einem Date spricht. Gerade dann, wenn das Geschlecht der neuen Beziehung eine anderes ist, als das der vorherigen Partner:innen.
Eine Studie des Workplace Equality Index zeigt, dass bisexuelle Frauen sich deutlich seltener gegenüber Kolleg:innen und Vorgesetzte outen, als lesbische. Bei bisexuellen Männern ist diese Zahl tatsächlich noch höher. Gerade die Angst davor, dass sich Kolleg:innen darüber lustiger machen könnten, man sich immer wieder für seine Sexualität rechtfertigen muss oder auch die Angst davor, die Chancen auf Jobs zu minimieren, sorgt dafür, dass viele ihre Sexualität verstecken.
Bisexuelle sind keine Einhörner – Mach’ sie sichtbar
Aber was nun tun, um gegen Bi-Erasure und Biphobie am Arbeitsplatz und im Umfeld anzukommen. Der erste Schritt ist nicht mehr als die Akzeptanz, dass biphobes Verhalten, oft kein bewusstes ist. Bisexualität findet oft keine Sichtbarkeit, weshalb viele Menschen bis dato auch wenig oder selten damit konfrontiert werden. Das führt zu Ignoranz und Unwissenheit, welche dennoch keine Entschuldigung für diskriminierendes Verhalten darstellt, jedoch eine Erklärung bietet.
Bi-erasure oder die Unsichtbarmachung von Bisexuellen richteten immensen Schaden an. Der Anteil von Personen innerhalb der LGBTQI+ Community, die mit ihrer mentalen Gesundheit unzufrieden sind oder über Angststörung wie Depressionen klagen, ist bereits erschreckend hoch. Jedoch sind Bi+ Personen deutlich mehr gefährdet. Eine Studie Bisexual Resource Center (BRC), geht davon aus, dass 40% der Bisexuellen bereits einen Selbstmordversuch in Betracht gezogen haben.
Deshalb ist es wichtig, auch am Arbeitsplatz Bi-Sichtbarkeit zu fördern. Mehr Sichtbarkeit von Bisexuellen bedeutet auch die Stärkung anderer Mitglieder der LGBTIQ+ Community. Sie hilft dabei, gesellschaftlich Normiertes aufzubrechen und Menschen dabei zu ermutigen, sie selbst zu sein.
Es geht darum, bisexuellen und Allies darin zu ermutigen, Sichtbarkeit bewusst zu stärken und gehört zu werden. Gleichzeitig liegt die Verantwortung auch auf der anderen Seite, eigene Vorurteile zu hinterfragen, Empathie zu zeigen und den Willen über Erfahrungen zu lernen, die nicht ihre eigenen sind.
Vorbilder können dabei ein wichtiges Werkzeug sein. Personen aus dem eigenen Umfeld, dem öffentlichen Leben sowie fiktive Figuren aus Literatur, Film und Fernsehen, machen bisexuelle Personen sichtbarer und geben der Community ein Gefühl von “Es ist in Ordnung, so zu sein, wie man ist.” Zudem können sie auch Vorbild für alle Allys bieten und die, die es werden soll. Es geht darum Bisexualtät in und außerhalb der LGBTIQ+ zu stärken und die Klischees und Biases fallen zu lassen. Bisexuelle sind Queer genung und sollten stolz darauf sein, so zu sein wie sie sind.
Lasst uns also die Bi+ Community aus der Unsichtbarkeit holen und für mehr Bi Sichtbarkeit sorgen!
Und wer direkt loslegen will, für den haben wir noch 5 Tipps, wie du die Bi+ Community stärken kannst:
1. Auch wenn du nicht an Einhörner glaubst, glaube an Bisexuelle
Es kommt nur allzu oft vor, dass bi+ Personen wegen ihrer Identität infrage gestellt und kritisch beäugt werden. Manche daten nur ein Geschlecht, andere leben vielleicht schon seit vielen Jahren in einer monogamen Beziehung – und dennoch können sie bi sein. Ihnen in Bezug auf ihre eigene Identität glauben zu schenken, ist das absolute Minimum an Allyship.
Und wer direkt loslegen will, für den haben wir noch 10 Tipps, wie du die Bi+ Community stärken kannst:
1. Auch wenn du nicht an Einhörner glaubst, glaube an Bisexuelle
Es kommt nur allzu oft vor, dass bi+ Personen wegen ihrer Identität infrage gestellt und kritisch beäugt werden. Manche daten nur ein Geschlecht, andere leben vielleicht schon seit vielen Jahren in einer monogamen Beziehung – und dennoch können sie bi sein. Ihnen in Bezug auf ihre eigene Identität glauben zu schenken, ist das absolute Minimum an Allyship.
2. Stelle keine Vermutungen an
Gehe nicht von der Identität einer Person aufgrund ihrer aktuellen oder früheren Beziehungspersonen aus. Das Geschlecht der Partner:innen einer Person definiert sie nicht. Orientiere dich an der Sprache, mit der sie ihre Beziehungen und ihre Identität beschreiben, egal, ob sie sich als bi, pan, queeroder als gar nicht labeln.
3. Erkenne und bekämpfe Biphobie
Egal, ob es sich um Belästigung auf der Straße oder Sticheleien auf der Arbeit über bi Menschen handelt, greife ein. Überlasse die ganze Arbeit nicht nur der Bi+-Community, und unterstütze andere Allys, wenn sie Vorurteile ansprechen.
4. Verwende eine inklusive Sprache
Überlege genau, über wen du sprichst, denn Sprache prägt Bewusstsein. Wenn du Wörter wie „schwul“ als Sammelbegriff verwendest, kann das Bisexuelle ausschließen, vor allem, wenn du nicht weißt, ob alle, die Sie meinen, sich auf diese Weise identifizieren.
5. Unterstütze vielfältige Lebensmodelle
Biphobie kann Bi-Personen doppelt hart treffen, wenn sie einem Stereotyp „entsprechen“. Wenn hat eine bi+ Person mehrere Liebes- und/oder Sexualpartner hat, wird dies als „Beweis“ für das Klischee der promiskuitiven bisexuellen Person angesehen, während eine bi+ Person in einer monogamen Beziehung beschuldigt werden kann, ihr Bi-Sein vorzugeben. Bejahe das Leben und die Beziehungen deiner bi+ Freunde und mache dir bewusst, wie viel Schaden negative Stereotypen bi+ Menschen zufügen können.
6. Feier sie!
Unterstützen und feiern bisexuelle Menschen und ihre Geschichten, wie zum Beispiel am Bi-Visibility-Day. Oder beginne damit, Bi-Autor:innen oder bekannte Personen in den sozialen Medien zu suchen, ihnen zu folgen und ihre Inhalte zu teilen.
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Proudr ist ein Projekt der UHLALA Group. Seit 2009 unterstützen, fördern und verbinden wir LGBTIQ+ Menschen in ihren Karrieren und bringen sie mit Unternehmen und Organisationen zusammen, die ihre LGBTIQ+ Mitarbeitenden schätzen.