Tinahåkan Jönsson: „Ich dachte, das ist das Ende meiner Karriere”
Tinahåkan Jönsson arbeitet in Barsebäck als Training Instructor for Professionalism and Safety Culture in der Kernkraftindustrie.

Tinahåkan Jönsson arbeitet in Barsebäck als Training Instructor for Professionalism and Safety Culture in der Kernkraftindustrie.


Seine Kollegen im Kernkraftwerk Barsebäck erfuhren aus einem Zeitungsinterview, dass Tinahåkan Jönsson viele Jahre lang ein Geheimnis mit sich herumtrug. Er ist heterosexuell, aber trägt manchmal gerne seine weibliche Seite nach außen. „Nach dem Artikel bekam ich zwei E-Mails von Barsebäck-Mitarbeitern. Sie fanden meinen Schritt sehr mutig, trauten sich aber nicht, meinem Beispiel zu folgen, um ihre Arbeit nicht zu beeinträchtigen. Ich habe daraufhin eine E-Mail an den HR-Manager geschrieben und ein Gespräch zum Thema LGBT angeboten, habe jedoch nie eine Antwort erhalten“, erinnert er sich. Das war etwa 2007.


Seiner Frau und seinen Kindern hatte er schon einige Jahre früher davon erzählt. Nach rund dreißig Jahren in unterschiedlichen Positionen, unter anderem als Wartungsingenieur, war er zu diesem Zeitpunkt gerade dabei, Barsebäck zu verlassen. Es folgten einige Jahre der Selbstständigkeit, heute arbeitet er bei der Vattenfall Tochter KSU, die Personal für Kraftwerke ausbildet. Das Unternehmen betreibt das mittlerweile stillgelegte Kraftwerk als Schulungsanlage. Inzwischen war allen bekannt, wer Jönsson ist, nicht nur seinem Team bei KSU.


Nach Abstimmung mit seinem Vorgesetzten schrieb er einen offenen Brief an alle Mitarbeiter der Anlage. Er erklärte, warum er sich nicht eher als Crossdresser geoutet hatte, und kündigte an, dass er vielleicht auch ab und an als Frau gekleidet zur Arbeit kommen würde. Ein paar Tage darauf erschien er in Frauenkleidern am Arbeitsplatz – ohne eine außergewöhnliche Reaktionen zu erhalten. „Als ich am nächsten Tag wieder normal gekleidet erschien, kamen zwei Mitarbeiter des Kernkraftwerks auf mich zu und sagten, sie hätten mit meinem Vorgesetzten gesprochen und würden nicht mehr für KSU arbeiten, wenn ich weiterhin als Frau gekleidet zur Arbeit käme. Das war mir sehr unangenehm, und ich dachte schon, dass es mit meiner Karriere jetzt vorbei sei. Denn für mich kam es nicht infrage, meine weibliche Seite weiterhin zu unterdrücken. Sie gehört genauso zu mir wie meine Augenfarbe!“


Doch Jönsson konnte bleiben. Das Unternehmen stand hinter ihm, und sowohl sein Vorgesetzter als auch seine Kollegen sagten ihm volle Unterstützung zu. „Ich bin niemandem begegnet, der nicht auf meiner Seite war. Allerdings kam, als ich das LGBT-Netzwerk bei KSU ins Leben rief, jemand auf mich zu und stellte die Frage, ob wir denn ‚auf Arbeit wirklich über Sex reden müssten?‘ Doch darum geht es gar nicht. Vielmehr geht es um Identität. Darum, dass man mit seinen Kollegen beim Kaffee ganz offen darüber sprechen kann, mit wem man seine Freizeit verbracht hat.“


Heute kleidet sich Jönsson am Arbeitsplatz manchmal als Frau und manchmal als Mann, Letzteres meist dann, wenn er Seminare gibt. „Wir haben am Anfang beschlossen, dass ich als Kursleiter Männerkleidung trage, damit sich die Teilnehmer nicht von meiner äußeren Erscheinung ablenken lassen. Meine Frau ist jedoch der Meinung, dass ich als Tina redegewandter bin und mich besser ausdrücke. Vielleicht würde ich meinen Job als Frau ja sogar noch besser machen!“


Peter Andersen ist der aktuelle Vorgesetzte von Tinahåkan Jönsson. Er war dabei, als Jönsson zu KSU* kam. „Wir alle kannten Jönsson von früheren Zeiten in Barsebäck und schätzten seine Kompetenz. Aber würde die Zusammenarbeit auch wirklich funktionieren? Wir waren schließlich nur ein kleines Team mit sieben Leuten, und es war wichtig, dass wir uns alle einig waren, sonst würde es nicht klappen. In einem offenen Gespräch wurde uns allen klar, dass wir ihn aufgrund seines Wissens und seiner Erfahrung einstellen wollten – und weil er ein guter Mensch ist. Dabei war es ziemlich egal, dass er ein Crossdresser ist. Nachdem wir das erkannt hatten, war es selbstverständlich, dass wir immer hinter ihm stehen würden, auch wenn es mal Probleme mit Leuten außerhalb unseres Unternehmens geben sollte. Wir machten deutlich, dass wir mit intoleranten Leuten nicht zusammenarbeiten würden.“


*KSU ist ein Tochterunternehmen von Vattenfall, das Personal für Kernkraftwerke ausbildet.


Foto und Artikel © Vattenfall

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