Mehr als nur charming: Im Interview mit Lars Tönsfeuerborn über einen offeneren Umgang mit mentaler Gesundheit

Proudr Superstars – Wir stellen im Proudr Magazin monatlich Menschen ganz persönlich vor, die ungewöhnliche Karrierewege eingeschlagen haben. Ihre Geschichten und Erfahrungen empowern und inspirieren unsere Leser:innen und machen greifbar, was (un-) möglich ist. Dieses Mal mit Podcaster und Gründer Tönsfeuerborn, über mentale Gesundheit.

© Niklas Förster Photographer


"Mir ist es wichtig, meine Reichweite sinnvoll zu nutzen

und für die Sichtbarkeit psychischer

Erkrankungen einzustehen."

Zwischen Karriere und Alltag entsteht schnell viel Ballast und Stress, der sich bei Übermaß schnell auf die psychische Gesundheit auswirken kann. Gerade für queere Personen, die fast dreimal häufiger von Depressionen und Burn-out betroffen sind, ein offener Umgang und die Auseinandersetzung mit der eigenen mentalen Gesundheit unumgänglich. Wir bei Proudr haben uns deshalb mit Lars Tönsfeuerborn unterhalten. Seine Reichweite, die er sich durch seinen Podcast „schwanz und ehrlich“ und die Teilnahme an der Dating-Show „Prince Charming“ aufgebaut hat, nutzt er, um für mehr Sichtbarkeit psychischer Erkrankungen einzustehen -Charming, ehrlich und unverblümt.

©Mirko Plengemeyer/PTO Media


Proudr: Neben Prince Charming und LGBTIQA+ Themen bist du bekannt für deinen Einsatz rund um das Thema Mental Health. Wie genau setzt du dich dafür ein?

Lars: Mental Health wurde schon sehr früh in meinem Leben ein Thema. Meine Mutter litt seit meiner frühen Kindheit an Depressionen und hat sich, als ich 12 Jahre alt war, dazu entschieden ihr Leben zu beenden. Ich selbst bekam 2012 eine schwere depressive Episode. In dieser Zeit lernte ich, mit meinem Körper und meiner Seele umzugehen. Leider sind psychische Erkrankungen heute immer noch ein großes Tabu. 

Als ich dann 2019 in die Öffentlichkeit rückte und auch meine Reichweite größer wurde, war es mir sehr wichtig, diese Reichweite sinnvoll zu nutzen und für die Sichtbarkeit psychischer Erkrankungen einzustehen. Daher kläre ich in meinem Content, auf Veranstaltungen oder auch als Unternehmer zum Thema Mental Health auf. Denn nur eine gesunde Seele ist eine glückliche Seele. 

"In meinen Augen ist es sehr wichtig,

sich zu informieren, denn nur fragenden

Menschen kann geholfen werden."

Proudr: Menschen innerhalb der LGBTIQA+ Community leiden häufiger unter Depressionen und Angststörungen. Hast du Tipps für unsere Community, mit dem Thema Mental Health umzugehen, als auch die Themen anzusprechen. 


Lars: In meinen Augen ist es sehr wichtig, sich zu informieren, denn nur fragenden Menschen kann geholfen werden. Gerade in der LGBTQIA+ Community stehen wir oft vor großen belastenden Herausforderungen. Sei es die Entwicklung der eigenen Identität, das Coming Out oder Hass, der uns entgegengebracht wird. Dies kann eine Seele belasten oder gar zerstören. Wichtig ist es, auf die Menschen in seiner Umgebung zu achten, aber dabei sich selbst nicht aus den Augen zu verlieren. Sich „Safespaces“ zu schaffen und für mich persönlich ist „Me-Time“ ein ganz großer Faktor. Es gibt tolle Angebote, gerade auch für Jugendliche. Aber viel wichtiger ist es, viel mehr Angebote zu schaffen und auch bei den Kleinsten unserer Gesellschaft mit der Aufklärung zu beginnen. Ich empfehle gerne die Deutsche Depressionshilfe, mit denen ich des Öfteren zusammenarbeite. Dort bekommt man viele hilfreiche Tipps und kann sich aufklären lassen, auch auf Instagram @stark_gegen_depression. Personen, die die Kraft haben und laut sein können, sollten das einfach machen, damit helfen wir genau denen, die es eben nicht können. 


Proudr: Unsere Arbeit hat einen großen Einfluss auf unser mentales Wohlbefinden. Sollten wir in der Arbeitswelt das Thema stärker thematisieren, sodass nicht mehr nur darüber geredet, sondern auch gehandelt wird?

"Ich setzte mich in meinem Unternehmen

stark für das seelische Wohlbefinden meiner Mitarbeiter:innen ein."


Lars: Ganz klar sollten wir das! Ich setzte mich in meinem Unternehmen stark für das seelische Wohlbefinden meiner Mitarbeiter:innen ein. So habe ich vor einiger Zeit ein „Mood-Meeting“ eingeführt. Wir setzen uns zusammen und sprechen nicht über die Arbeit, sondern über den eigenen Zustand. Fühle ich mich wertgeschätzt? Geht es mir gut? Benötige ich eventuell Unterstützung oder eine Auszeit? Dies sind Fragen, die wir uns stellen und wenn wir es ermöglichen können, gehen wir die Herausforderungen gemeinsam an. Bei uns darf man auch mal einen Tag zu Hause bleiben, wenn man eben nicht in der Verfassung ist zu arbeiten. Denn nur gesunde und glückliche Mitarbeiter:innen tragen zum Erfolg des Unternehmens bei und fördern ein gesundes Wachstum. Ich hatte viele beschissene Vorgesetzte in meinem Leben und ich habe nie verstanden, wieso sie überzeugt waren, dass Ausbeutung zum Erfolg des Unternehmens beitragen könnte. Menschen, die den Wert jedes Einzelnen nicht erkennen, sollten niemals führen. 


Proudr: Du hast ja in deinem Leben ebenfalls Erfahrungen mit Burn-out gemacht. Was sind die ersten Anzeichen und was kann ich tun, um sich vor Burn-out zu schützen?


Lars: Zuallererst: Burn-out ist keine eigenständige Krankheit. Ein Burn-out ist ein Zustand, der psychische Erkrankungen hervorrufen kann oder aus ihnen entsteht. Ich konnte damals plötzlich die einfachsten Arbeitsabläufe nicht, habe spontan angefangen zu weinen, fühlte mich ans Bett gefesselt und selbst der übliche Wocheneinkauf überforderte mich maßlos. 

Dies waren meine Anzeichen, doch psychische Erkrankungen sind individuell. Es ist kein Armbruch, der gegipst wird, sondern es ist eine komplexe Krankheit, die dementsprechend individuell behandelt werden muss. Ich zum Beispiel baue mir Ruheinseln oder trete auf die Bremse, wenn ich merke, dass es mir zu viel wird. Egal, ob beruflich oder privat. Ich sage immer, ich habe meinen gesunden Egoismus zum Schutz für Körper und Geist entwickelt. 

©Mirko Plengemeyer/PTO Media


"Ich habe trotz aller Tiefschläge in meinem Leben nie aufgegeben."

 

Proudr: Ganz zum Schluss, welchen Rat kannst du jungen queeren Menschen mit auf den beruflichen Weg geben? 


Lars: Ich kann nur jeder Person raten, sich für das Glück und die Zufriedenheit zu entscheiden. Was bringt mir der beste Job, die fetteste Kohle, wenn ich unglücklich bin? Man sollte sich immer überlegen, ob, der Einsatz, den man leistet, entsprechend wertgeschätzt und anerkannt wird. Wenn meine Arbeit mich unglücklich macht, so breitet es sich auf mein gesamtes Leben aus. Klar ist das aus meiner privilegierten Position einfach zu sagen, aber diese Position habe ich mir hart erarbeitet. Ich hatte nichts, weder eine Ausbildung noch hatte ich Geld, ganz im Gegenteil, ich habe mich in jungen Jahren hoch verschuldet. Aber eins war mir wichtig, ich habe trotz aller Tiefschläge in meinem Leben nie aufgegeben. 

Aus den vielen Schicksalen habe ich immer neue Kraft gezogen. 

Und auch heute läuft sicher nicht alles rund, aber ich lebe meinen Traum! Und jeder sollte versuchen, seinen Traum zu leben, wenn er die Kraft dazu hat. Denn wir haben nur dieses eine Leben und das will gelebt werden. 

Bei Fragen zum Thema psychischer Erkrankungen findest du hier Informationen und Ansprechpartner:innen.

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