Der Feind auf dem Schulhof und in meinem Kopf
Wenn wir ein gutes Selbstwertgefühl besitzen, dann bedeutet dies: wir glauben, liebenswert und wertvoll zu sein – trotz der eigenen Schwächen und Fehler. Mein Selbstwertgefühl war nicht immer so ausgeprägt wie heute.

Wenn wir ein gutes Selbstwertgefühl besitzen, dann bedeutet dies: wir glauben, liebenswert und wertvoll zu sein – trotz der eigenen Schwächen und Fehler. Mein Selbstwertgefühl war nicht immer so ausgeprägt wie heute. Zwei Jahre meiner Schulzeit wurde ich stark gehänselt. Ich (Dennis Robers) fühlte mich damals NICHT OK.


Ein gesundes Selbstwertgefühl ist der gesunde Gegenpol zu Minderwertigkeitsgefühlen

Als meine Mutter Ihren neuen Freund kennenlernte, sind wir anderthalb Jahre später zu ihm von Nordrhein-Westfalen nach Niedersachsen gezogen. Ich bin aus einer Kleinstadt mit rund 25.000 Einwohnern in ein Dorf mit rund 9.000 Einwohnern gezogen.  Der Wechsel des Bundeslandes und der Verlust meines Freundeskreises war aus heutiger Sicht mein kleineres Übel.


Als ich mit 14 auf die neue Gesamtschule in Niedersachsen kam, hatte ich mich schon für Jungs interessiert. Ich war mir sicher: Das geht wieder weg. Mit 15 war ich mir nicht mehr ganz so sicher und hoffte, dass es wieder weg geht. Mit 16 war mir klar: Das wird so bleiben. 


Die Mehrheit der Jugendlichen erleben nach einem Outing homophobe Beschimpfungen oder körperlicher Gewalt

Ich wurde ziemlich schnell in die Oferrolle gedrängt. Ich hatte den Eindruck das lag auch an meinen Noten. Kinder mit schlechten Noten werden eher belästigt als gute Schüler. Mobbing ist meistens auf eine Äußerlichkeit, auf ein Verhalten eines Kindes bezogen. Das heißt, wenn jemand besonders langsam, feminin, schwul oder besonders dick ist, dann kommt es häufig dazu, dass man in diese Rolle gedrängt wird. 


Schulbeginn 8:00 Uhr, ich bin 14 Jahre, der Neue und derjenige der schnell mit homophoben Beschimpfungen umgehen lernen muss. Ich erinnere mich noch daran, dass solange der Lehrer im Raum war, ich mich einigermaßen geschützt und sicher fühlte. Doch sobald der oder die Lehrerinn das Klassenzimmer verließ konnte es jederzeit losgehen: die fiesen Kommentare, die Rempeleien. Schwuli oder Schwuchtel wurde mir quer über den Schulhof hinterhergerufen. Mir wurde auf dem Kopf gespuckt, ich wurde bedroht und die Mitschüler verabredeten sich, um auf dem Heimweg mit Gehässigkeiten auf mich zu warten. 


“Ab diesem Zeitpunkt ging ich offen mit meinem Coming Out um.”

Ich hatte Angst und die Pausen gehasst 

Meine Klassenkameraden haben sich auf das Ende vom Unterricht gefreut. Ich dagegen hatte Angst vor der großen Pause und dem Heimweg. Jeder, der das am eigenen Leib erfahren hat, weiß wie demütigend und verletzend diese Freiräume sind, in denen man sich nicht erholt, sondern massivem Stress ausgesetzt ist. Es ist wissenschaftlich belegt, dass Zurückweisung, Ablehnung, Beleidigung, Ausgrenzung kurzum das „Nicht-mitspielen-dürfen“ unser Gehirn an der gleichen Stelle aktiviert wie körperliche Verletzungen oder Erkrankungen. Es betrifft das Schmerzzentrum. Für unser Schmerzzentrum im Gehirn macht es also keinen Unterschied, ob wir einen Bandscheibenvorfall haben oder gemobbed werden.


Ich weiß, unter welchen Druck Schwule und Lesben im Teenageralter von anderen Jugendlichen gesetzt werden

Mobbing taucht in Gruppen auf, deren Mitglieder sich immer wieder begegnen. Ich konnte mich als Opfer nicht entziehen. Mobbing ist eine besondere Form der körperlichen und verbalen Gewalt. Die Täter schikanieren ein unterlegenes Opfer regelmäßig und über eine längere Zeit. In der Forschungsliteratur gibt es auch den Begriff “Bullying” (“bully” engl. für brutaler Kerl, Tyrann). Neben körperlicher Gewalt und Sachbeschädigung nutzen die “Bullies” mehr oder weniger subtile Methoden, die Eltern und Lehrer oft nicht mitbekommen: Hänseleien, Bedrohungen und Erpressungen, üble Nachrede oder systematisches Ignorieren.


Ich gab mir die Schuld

Statt zu rebellieren, zog ich mich immer mehr zurück. Ich traute mich kaum noch allein aus dem Haus und hatte in jener Zeit auch keine Freunde, denen ich mich anvertrauen konnte. Ich wurde ein richtig depressiver Stubenhocker, der Arrest bekam wenn ich etwas schlimmes angestellt hatte. Ich weiß, dass wenige Jugendliche den Mut haben, sich zu outen. Sie fürchten, dass Ihnen das gleiche passiert. Doch die eigene Sexualität auf Dauer zu leugnen, kann einen psychisch krank machen.

Als ich mit 16 wieder nach NRW zu meinen Großeltern zog, war mir einiges klar. Negative Erfahrungen sind in unserem Leben notwendig, weil sie uns den richtigen Weg aufzeigen. Wir lernen bessere Entscheidungen zu treffen, und erkennen dadurch, was wir wollen und was nicht. Und gemobbed werden wollte ich nicht mehr. Somit nahm ich den neuen Mitschülern direkt den Wind aus den Segeln. Ab diesem Zeitpunkt  ging ich offen mit meinem Coming Out um. Ich habe Schwulsein NICHT zum Hauptthema gemacht, aber einmal offen und laut und für alle ausgesprochen. Das war mal eine Ansage. Ich habe es nie bereut, seinerzeit selbstbewusst die Initiative ergriffen zu haben. 


“Ich möchte auch mal sagen: Ich hab ‘ne ganz tolle Familie!“

Seit meinem Outing gab mir meine Familie und mein neuer Freundeskreis den Rückhalt, den ich vorher nicht hatte. Diese Erfahrungen prägen heute mein gesamtes Umfeld, ob beruflich oder privat. Heute haben wir 2019 und es zählen schwule Unternehmer und Führungskräfte immer noch als Exoten. Der soziale Druck und die subtile Diskriminierung sind omnipräsent, gerade auf dem Land und in kleineren Städten. Die Auswirkung des Outings auf Kunden und Mitarbeiter ist für Führungskräften und Unternehmern nicht immer absehbar. Gefühlt zieht es einen Rechtfertigungsdruck nach sich. Auch 2019 gibt es also latent die Meinung, dass nichts schlimmer wäre, als schwul zu sein. Also doch den Hetero weiter spielen?


Nein! Wir brauchen mehr Vorbilder in Deutschland, die ihre Privatheit opfern, um sich für mehr Gleichberechtigung und den Abbau von Vorurteilen einzusetzen. Den ersten Schritt haben wir mit der Einführung von Diversity Management (auch Managing Diversity) bzw. Vielfaltsmanagement gemacht. 


Risikobereitschaft und Durchhaltevermögen

Heute nutzt mir meine schulische Erfahrung bei der Kundengewinnung. Vor dem “Nein danke” des Kunden ist kein Verkaufs- und Kommunikationstrainer gefeit. Absage, Storno und Ablehnung im Verkauf gehören schlichtweg zu meinem Beruf. Die meisten Menschen empfinden eine Zurückweisung als Angriff auf die eigene Persönlichkeit. 


Als Experte in der Kundenkommunikation gelingt es mir, aus einer Ablehnung einen persönlichen Nutzen zu ziehen. Ich werde hierdurch in meinem Mut bestärkt, ein Risiko einzugehen. Scheitern ist kein k.o.-Kriterium sondern ein Ansporn für mich. Nur weil es bei diesem einen Kunden nicht geklappt hat, heißt das noch lange nicht, dass das nächste Verkaufsgespräch ebenfalls auf die selbe Weise verläuft. Ein Kunde der heute “nein danke” sagt, kann morgen zusagen. Eine Frage der Statistik. Menschen ändern ihre Meinung auch bezüglich des freizügigeren Umgangs mit der Sexualität im Berufsalltag. Dies sollte aber keine Frage der Statistik sein, sondern öffentliche Erkenntnis.


Unser Autor Dennis Robers ist nicht nur erfolgreich geoutet, sondern auch Experte für echtes, authentisches Verkaufen. Er gibt Führungskräften, sowie Sales-Mitarbeitern ein Verkaufs- und Kommunikationssystem und wertvolle Impulse für die tägliche Praxis. Dennis Robers wartet mit einer starken praxisorientierten Rhetorik auf seine Seminarteilnehmer. Neben seiner Vertriebserfahrung von über 15 Jahren beschäftigt er sich maßgeblich mit allen Ebenen der Kommunikation.

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