Unternehmen tragen Verantwortung – nicht nur ihren eigenen Mitarbeitenden gegenüber. Ihr Handeln hat auch über die Unternehmensgrenzen hinweg Einfluss. Welche Schritte in Richtung Chancengleichheit für LGBT+ die Deutsche Bahn dabei geht und welche Rolle ein konstruktiver Dialog nach innen und außen hierfür spielt erklärt Christine Epler, Head of HR-Strategy, Innovation & Diversity, im Interview mit Stuart B. Cameron.
Was bedeutet LGBT+ Diversity für die DB?
Es bedeutet uns eine ganze Menge, offen gesagt. Es ist nötig, dass wir uns aktiv und kontinuierlich mit den Konsequenzen unseres Handelns und der Verantwortung, die wir damit tragen, beschäftigen. Dies fängt im Kleinen an und führt dazu, dass wir unweigerlich Haltung zeigen müssen. Als Individuum, aber auch als Unternehmen. Wir tragen bei der Deutschen Bahn die Verantwortung für mehr als 300.000 Mitarbeitende, die allesamt aktiv unseren Unternehmenserfolg mitgestalten. Daher muss ich mich aufrichtig fragen, ob wir als Arbeitgeber ein offenes und tolerantes Arbeitsumfeld bieten, in welchem Mitarbeitende z.B. keine Angst vor ihrem Coming Out oder individuellen Lebensentwurf haben müssen.
Findet ihr, dass dem Thema LGBT+ Diversity in Zukunft mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden sollte?
Ja, das sollte es. Bei der Deutschen Bahn haben wir beschlossen, LGBTIQ*-Themen künftig mehr in ihrer gesamten Facettenbreite in den Blick zu nehmen, also jeden Buchstaben vermehrt zu berücksichtigen. Die Vielfalt an sexueller Orientierungen und geschlechtlicher Identitäten, wie Trans* und Bisexualität sind keine neumodischen Erscheinungen – sie sind schon lange Teil unsere Gesellschaft und fordern lediglich verstärkt und zu Recht mehr Sichtbarkeit und Akzeptanz. Als ich studiert habe, gab es Wörter wie Genderfluid oder Queer noch nicht. Aber wir leben in einer Welt im stetigen Wandel – zum Glück – und müssen uns daran immer wieder neu ausrichten.
Würdet ihr sagen, dass Chancengleichheit bei LGBT+ bezüglich einer Karriere bei der DB bereits gegeben ist und an welchen Stellen seht ihr noch Verbesserungspotentiale?
Momentan können wir nicht von bestehender Chancengerechtigkeit sprechen. Daran muss dauerhaft und mit Nachdruck gearbeitet werden. Für mehr Chancengerechtigkeit hinterfragen wir kontinuierlich neueingeführte als auch bereits etablierte Prozesse. Zum Beispiel setzen wir klare Schwerpunkte in unseren Workshops für Führungskräfte auf die Themen Diversity und Unconscious Bias im Recruitingprozess. Das Umdenken in Besetzungsprozessen ist ein Grundstein für mehr Chancengerechtigkeit. Um mehr Frauen in Führungspositionen zu besetzen, haben wir uns ein 30% Ziel gesetzt. Interessant finde ich in dem Kontext auch den Impuls aus der #unpinked-Konferenz über eine LGBTIQ*-Quote nachzudenken, die im angelsächsischen Unternehmen teilweise schon gesetzt wurde und im deutschen Raum so aufgrund rechtlicher Hürden (noch) nicht umzusetzen ist.
Wie beeinflusste Corona eure LGBT+ Diversity Strategie für 2020? Was musste angepasst oder gar abgesagt werden und was ist vielleicht auch neu hinzugekommen?
Die LGBTIQ* Diversity Strategie lebt bei der Deutschen Bahn von einem Dialog nach innen und außen. Zum einem mit dem starken und mutigen LGBTIQ*-Mitarbeitendennetzwerks „railbow“, zum anderen mit unseren externen Partnern. Gleich zu Beginn der Pandemie haben wir uns gemeinsam an einen virtuellen Tisch gesetzt und diese Fragen diskutiert. Uns war klar, dass wir trotz Krise Stellung beziehen wollen. Daher haben wir die PRIDE RIDE Kampagne initiiert. Auftakt war ein digitaler Austausch und Q&A des Vorstandsvorsitzenden Dr. Richard Lutz, dem Vorstand für Personal und Recht Martin Seiler mit „railbow“ und anderen wichtigen Stakeholdern aus dem Unternehmen. Als unübersehbare Botschaft wurde eine Pride Ride Lok durch das Land geschickt; an 63 Bahnhöfen wurden Regenbogenflaggen gehisst und Mund-Nasen-Schutz-Masken in Regenbogenfarben an Mitarbeitende verteilt, die auch unsere Vorstände auf vielen Fotos stolz in die Kamera zeigen. In dem Film „Wir fühlen mit Euch – Pride Ride bei der DB“ haben zudem Vertreter:innen der LGBTIQ*-Community und Mitglieder von „railbow“ mitgewirkt und standen auch selbst vor der Kamera. Unternehmensübergreifend haben wir ein digitales Seminar zum Thema „Transition im Unternehmen“ gehostet und finanzieren jährlich Plätze im „Soll ich oder soll ich nicht?“ Coming Out am Arbeitsplatz Seminar. Auf der STICKS & STONES Karrieremesse von Uhlala haben wir mit unserem Stand einen Preis gewonnen und arbeiten derzeit gemeinsam an einem Transitionsleitfaden.
Die genannten Beispiele beweisen, ein Dialog in alle Richtungen ist für uns die richtige Strategie, um – auch in Coronazeiten – erfolgreich Maßnahmen umzusetzen.
Auf welche Erfolge eures LGBT+ Diversity Managements seid ihr besonders stolz?
Ins Gespräch zu gehen und sich miteinander auseinandersetzen ist nicht immer leicht. Kritik aushalten und annehmen können und sich selbst zu hinterfragen braucht viel Reflektion und Resilienz. Wir arbeiten hart an dem zuvor genannten Dialog. Es macht mich daher besonders stolz, dass dieser Dialog funktioniert und sehr viel positives hervorbringt.
Christine Epler, Head of HR Strategy, Innovation & Diversity / Foto: Norbert Ittermann
Ihr wurdet auf eueren kürzlich herausgebrachten Film zur Pride Ride Kampagne „Wir fühlen mit Euch – Pride Ride bei der Deutschen Bahn“ teilweise stark kritisiert, aber auch gefeiert. Wie geht ihr mit dieser Kritik um?
Den Pride-Ride Film haben wir in unseren sozialen Medien gespielt. Das Feedback war in der Tat zahlreich und die Meinungen gingen sehr auseinander. Es hat sich sowohl Extern, als auch Intern ein großer Diskurs entwickelt. Viele fanden den Film mutig und haben das Engagement der Deutschen Bahn als dieses anerkannt. Werbung ist ein wichtiges Element, um als Unternehmen unsere wichtigen Themen nach außen zu zeigen. Sie ist meist aber auch überspitzt und übertreibt stilistisch. Zudem zeigt sie auch immer nur einen Ausschnitt, eine Facette. Dass dieser Film allerdings bei einigen den Eindruck erweckt hat, wir wollten lediglich Klischees abbilden, tut uns leid. Wir sind anschließend mit einigen unserer ernstgemeinten Kritiker:innen ins Gespräch gegangen, um uns weiterzuentwickeln. Ein Outcome aus der Kritik zu fehlender Trans*-Repräsentanz, ist z.B. dass im „railbow“ Netzwerk eine Transperson als Stellvertreterin Wünsche und Bedürfnisse an uns adressiert. Wir haben viel Feedback bekommen, das wir in zukünftige Kampagnen einbringen werden. Und der Diskurs hat mich in der Überzeugung bestärkt: gerade auch in schwierigen Zeiten ist es relevant, Haltung zu zeigen.
Was sind eure Pläne für die kommenden 5 Jahre im Bereich LGBT+ Diversity Management bei der DB?
Wir tragen Verantwortung nicht nur für das, was ist, sondern auch für das, was kommt. Probleme werden immer globaler, umfassender. Dies hat uns die Pandemie mit aller Deutlichkeit gezeigt. Gerade jetzt wird verständlich, dass diverse Lebensbereiche längst miteinander verzahnt sind. Und ja, ich bin auch der Ansicht, dass das Privatleben und der Arbeitsalltag etwas miteinander zu tun haben. Als einer der größten Arbeitgeber Deutschlands, als eines der größten Mobilitätsunternehmen in Europa und als staatlicher Konzern stehen wir besonders in der Verantwortung, vorweg zu gehen, gesellschaftliches Engagement zu fördern und uns für Gleichberechtigung, Vielfalt und Toleranz einzusetzen. Das wollen wir auch in den nächsten 5 Jahren weiter tun.
Euer Mitarbeitendennetzwerk “railbow” feiert 2021 sein 10-jähriges Bestehen. Habt ihr etwas Besonderes für das Jubiläum geplant?
Zuallererst sind wir natürlich unglaublich stolz schon ganze 10 Jahre ein so aktives LGBTIQ* Mitarbeitendennetzwerk im Unternehmen zu haben. Deshalb wird es 2021 im Rahmen des zehnjährigen Gründungsjubiläum des LGBTIQ* Mitarbeitendennetzwerkes etwas Besonderes geben. Was das sein wird, darf ich allerdings noch nicht verraten.
Dieses Interview erschien zuerst am 13. November 2020 im UHLALA Group Blog.
Mehr zum Thema Diversity bei der Deutschen Bahn gibt es auch im Interview mit Martin Seiler, Personalvorstand der Deutschen Bahn, unter: www.tagesspiegel.de
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