Warum wir in Deutschland JETZT eine Diversity-Quote für Unternehmen brauchen!
Vergangene Woche ließ der bayerische Ministerpräsident Markus Söder aufhorchen, als er sich überraschend in die Debatte um die sogenannte „Frauenquote“ einbrachte.

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Vergangene Woche ließ der bayerische Ministerpräsident Markus Söder aufhorchen, als er sich überraschend in die Debatte um die sogenannte „Frauenquote“ einbrachte. Er fordert nun eine entsprechende Quote für die Vorstandsetagen der DAX Unternehmen. Es lohnt sich an dieser Stelle den Blick zu weiten und sich dem übergeordneten Problem zuzuwenden und auf Missstände hinzuweisen. Denn echte Chancengerechtigkeit bleibt neben Frauen auch anderen Bevölkerungsgruppen, wie etwa LGBT+ Menschen, Menschen mit Migrationsbiografie oder Menschen mit Behinderung noch immer verwehrt.

Das sich wiederholende Problem: Chancengerechtigkeit

In der Debatte um Chancengerechtigkeit in Führungsetagen meldete sich letzte Woche Markus Söder, bayerischer Ministerpräsident, mit einem Vorstoß zu Wort. Bei einer Veranstaltung sprach er sich für eine „Frauenquote“ für die Vorstandsetagen der DAX Unternehmen aus. Demnach solle man sich in Berlin bei Gesetzesvorhaben einen „Ruck geben“ und diese „vernünftig umsetzen“.


Der aktuelle Bericht der Allbright-Stiftung zeigt, dass dies bitter nötig ist. Der Frauenanteil in DAX-Vorständen ist während der Corona-Krise nicht nur stagniert, sondern gesunken. Deutsche Unternehmen stehen im internationalen Vergleich schlecht da. Deutschland ist das einzige Land, das Rückschritte macht. Die USA, Schweden und das Vereinigte Königreich schneiden deutlich besser ab.


Dabei ist die Debatte zur sogenannten „Frauenquote“ keine neue: Über Jahre hinweg wurde über Aufstiegschancen und die Gleichstellung von Frauen am Arbeitsplatz diskutiert und gestritten. Absichtserklärungen und der allgemeine gute Wille wurden seitens vieler Unternehmen zum Ausdruck gebracht.


Dass es Chancengerechtigkeit im Beruf nicht für alle Mitarbeitenden in gleichem Maß gibt, ist keine neue Erkenntnis. Deutschland ist in Sachen Chancengerechtigkeit im Berufsleben für Frauen, LGBT+ und andere marginalisierte Gruppen international Schlusslicht. Männlich, weiß, heterosexuell, mit akademischem Hintergrund, privilegiert und ohne Behinderung ist das gängige Muster, das sich immer wieder selbst reproduziert. Es bleibt beim guten Willen, wohlgemeinten Intentionen und halbherzigem Vorgehen.

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Richtigerweise erwähnt Markus Söder nun die Vorbildfunktion, die Frauen in Führungspositionen für junge Frauen haben. Gerade deswegen ist es zum Beispiel auch wichtig, sichtbare und offene LGBT+ Führungskräfte in Vorständen, Aufsichtsräten und Chefetagen zu haben. Denn nur sichtbare Vorbilder ermutigen andere und bauen Hürden ab. So können sich Unternehmenskulturen verändern und im positiven Sinn weiterentwickeln!


LGBT+ in Vorstandsetagen – Zwischenetappe auf langem Weg

Vor einigen Wochen wurde zum dritten Mal die Germany’s Top 100 Out Executive Liste veröffentlicht. Aber auch in diesem Jahr findet sich auf der jetzt erschienenen Liste kein Aufsichtsrats- oder Vorstandsmitglied eines DAX 30 Unternehmens. Und das, obwohl es sie gibt. Die Vielzahl der diesjährigen Bewerbungen kann vor diesem Hintergrund – bei aller angebrachten Freude – nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir auch bei LGBT+ Menschen in Führungs- und Vorstandsetagen in Deutschland erst ganz am Anfang eines langen Weges stehen.

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Ganz anders gestaltet sich die Situation erneut in den USA oder dem Vereinigten Königreich: Listen, wie die Germany’s Top 100 Out Executive Liste, sind dort weit verbreitet. Hochrangige Führungskräfte, wie etwa Tim Cook, CEO von Apple, Susie Scher, Co-Leiterin bei Goldman Sachs, und Pedro Pina, Vice-President bei Google, scheuen sich nicht, offen zu ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität zu stehen.


Die Gründe dafür, dass sich verhältnismäßig wenige LGBT+ Führungskräfte outen, müssen also in den deutschen Unternehmenskulturen liegen. Und genau dort findet sich der Kern des Problems.


Unternehmen versagen bei Wertschätzung von LGBT+

Es ist gewissermaßen ein Paradoxon: trotz vermeintlich wachsender Akzeptanz von LGBT+ in der Gesellschaft und zunehmender rechtlicher Gleichstellung bleibt es risikoreich, sich im Job und am Arbeitsplatz zu outen. Wieder und wieder zeigen Studien und Untersuchungen, dass LGBT+ Mitarbeitende im Beruf diskriminiert werden.


Diese Tatsache wirkt sich auf zwei Arten auf Betroffene aus. Zum einen erleben sie Diskriminierung ganz konkret. Laut einer jüngst vielbeachteten Studie trifft dies auf rund 30% aller LGBT+ am Arbeitsplatz in Deutschland zu. Zum anderen, und auch dies darf nicht vernachlässigt werden, haben LGBT+ Mitarbeitende Angst vor Diskriminierung, ohne selbst schon konkret betroffen zu sein. Die Boston Consulting Group (BCG) veröffentlichte 2019 eine Studie die zeigt, dass gerade einmal 37% aller LGBT+ am Arbeitsplatz geoutet sind. Die Angst vor Diskriminierung und Benachteiligung hemmt LGBT+ und führt dazu, dass sie ihre sexuelle Orientierung oder geschlechtliche Identität im Beruf verheimlichen.


Es ist offensichtlich, dass an dieser Situation die LGBT+ Mitarbeitenden weder schuld, noch in der Position sind, etwas zu verändern. Verantwortung und Pflicht liegen alleine bei den Unternehmen und Institutionen. Die Studienergebnisse stellen deutschen Großunternehmen also ein niederschmetterndes Zeugnis aus: Sie versagen mehrheitlich bei der Schaffung eines wertschätzenden Arbeitsumfelds und benachteiligen LGBT+ Mitarbeitende und deren Entwicklung. Chancengerechtigkeit für alle geht anders!


Die Quote wirkt! Verbindliche Ziele statt hohler Phrasen

Auf unverbindliche Absichtsbekundungen für mehr Wertschätzung und Chancengerechtigkeit können wir uns also nicht verlassen, denn sie bewirken wenig. Damit sich Unternehmenskulturen ändern und ein Outing am Arbeitsplatz nicht länger zum Risiko für die Karriere oder Diskriminierung wird, brauchen wir verbindliche Ziele und Regeln. Nur so kommen Unternehmen ihrer Verpflichtung nach und es kann sich etwas verändern.


Bis zur globalen Pandemie diesen Jahres hat die Quote zur Besetzung von Gremien- und Aufsichtsratsposten mit Frauen Wirkung gezeigt. So zeigen die Daten, dass sich der Anteil von Frauen in den Unternehmen, die der Quote unterliegen, von 25,0% im Jahr 2015 in nur zwei Jahren auf 32,5% erhöht hat. In Unternehmen, die der gesetzlichen Regelung nicht unterliegen, stieg der Anteil im selben Zeitraum um nur 2 Prozentpunkte von 17,9% auf 19,9%. Andere Länder, wie etwa Argentinien, knüpfen an die Idee einer verbindlichen Quote an. Dort wurde etwa eine gesetzliche Regelung beschlossen, nach der 1% aller staatlichen Personalstellen künftig mit trans Personen besetzt werden sollen.


Ministerpräsident Söder fordert nun, sich bei kommenden Gesetzesvorhaben zur Gleichberechtigung von Frauen in Führungsetagen einen „Ruck“ zu geben und diese „vernünftig umzusetzen“. Wenn das ernst gemeint ist, müssen jetzt alle marginalisierten Bevölkerungsgruppen in den Blick genommen werden! „Vernünftig umsetzen“ heißt in diesem Fall nämlich eines: Chancengerechtigkeit für alle!


Deswegen sollten wir uns in Deutschland mit einer Diversity-Quote auseinandersetzen. Posten und Stellen, besonders auf der Führungsebene, sollten bewusst auch mit Frauen, sichtbaren und geouteten LGBT+, mit Menschen mit Behinderung und Migrationsbiografie besetzt werden. Alle Diversity-Merkmale, auch das Lebensalter, müssen dabei in den Blick genommen und berücksichtigt werden. Damit könnte Deutschland und den Unternehmen hierzulande ein Befreiungsschlag und eine Abkehr des altbekannten, starren und ungerechten Musters gelingen.


Wie genau eine solche Diversity-Quote aussehen und wie sie umgesetzt werden kann, wird Gegenstand von Debatten und Diskussionen sein. Wie schon bei der sogenannten „Frauenquote“, wird es neben Befürworter:innen auch laute Gegenstimmen geben. Eine Frage aber werden sich alle stellen lassen müssen: Wie, wenn nicht durch eine solche Diversity-Quote, kann eine effektive Veränderung hin zu mehr Chancengerechtigkeit erreicht werden? Denn das ist es, worum es uns allen gehen sollte.


Dieser Artikel erschien zuerst am 17. November 2020 im UHLALA Group Blog.

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